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Lao
Tse – Tao Te King
literarische Neufassung
der 81 Spruchweisheiten
von Lao Tse
Bludenz, 1996.
ISBN: 3-851193-021-5 |
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1. Spruch
Der Weg, den ich kenne,
ist nicht der ewige Weg.
Der Name, den ich nenne,
ist nicht der ewige Name.
Der Anfang von allem ist ewig.
Er hat keinen Namen.
Namenlos ist der Anfang.
Benannt mit dem Namen
Der Mutter, die sie gebar,
sind tausend und abertausend Geschöpfe.
Frei von Verlangen
Gelange ich
Durch stetes Betrachten
Ins Reich der Geheimnisse.
Voll von Verlangen
Gelange ich
Stets nur an Grenzen.
Beides geschieht zugleich
Und hat verschiedene Namen:
Das Bleibende wie das Vergängliche.
Einzig im Eigenen.
10. Spruch
Die Gegensätze in sich vereinen,
ans Eine sich zu halten,
kann die Seele sich dann noch verlieren?
Den Atem sammeln und verströmen,
kehrt dann nicht das Kindsein zurück?
Mit geläutertem Blick den Ursprung verstehen,
kann dort nicht die Unschuld sich finden?
Die Menschen lieben, wenn man regiert,
befähigt das nicht zur Macht ohne Zwang?
Kann der Himmel sich öffnen und schliessen
ohne die Kraft des Weiblichen?
Wenn die Klarheit alles durchdringt,
befähigt sie nicht zum Verzicht auf gesichertes
Wissen?
Alles soll wachsen und reifen.
Schaffen, ohne besitzen zu wollen.
Wirken, ohne auf dem Werk zu bestehn.
Raum lassen, ohne einzugreifen:
Das ist der tiefste Sinn.
11. Spruch
Dreissig Speichen treffen sich in der Nabe.
Der freie Raum
gibt dem Rad seinen Sinn.
Aus Ton dreht der Töpfer den Topf.
Der freie Raum
gibt dem Topf seinen Sinn.
Türen und Fenster sind gemauert ins Haus.
Der freie Raum
gibt dem Haus seinen Sinn.
In allem entsteht ein Sinn
durch das, was ausgespart bleibt.
Im freien Raum liegt der Gewinn.
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